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Marktkommentar: Von der Krise zur Erholung (1. Halbjahr 2023)
13. Juli | Marktkommentar
Nach einem sehr turbulenten Jahr 2022 ließ sich im ersten Halbjahr 2023 eine Stabilisierung an den Kapitalmärkten beobachten, wobei es in gewissen Sektoren zu starken Erholungen gekommen ist.
In diesem Kommentar berichten wir von den bisherigen Marktentwicklungen dieses Jahres und geben Ihnen darüber hinaus ein Update zum wirtschaftlichen Umfeld (Inflation, Zinsentwicklung und Konjunktur). Außerdem gehen wir auf unsere zukünftige Positionierung im Portfolio ein und zeigen auf, wieso wir trotz weiterhin bestehender Unsicherheiten äußerst positiv und mit hoher Überzeugung in die Zukunft blicken.
Inhalt
Von der Krise zur Erholung - Sektorenrotation im ersten Halbjahr 2023
Das Jahr 2022 war ein gutes Beispiel dafür, dass Märkte kurzfristig sehr stark von Psychologie, Emotionen und Popularität getrieben werden können. In gewissen Sektoren wie Kommunikationsdienstleistungen, Nicht-Basiskonsumgütern oder Informationstechnologie hat das Ende der Pandemie das beschleunigte Wachstum vorerst gestoppt.
Außerdem setzten gestiegene Kosten (aufgrund weiterhin antizipierten Wachstums) die Unternehmensgewinne zusätzlich unter Druck. Viele Unternehmen in diesen Sektoren fielen derart im Kurs, dass die Bewertungen an den Märkten teilweise kaputte Geschäftsmodelle implizierten, deren langfristige Umsatz- und Gewinnaussichten sich innerhalb kürzester Zeit komplett geändert hätten. Dies war in vielen Fällen aber definitiv nicht der Fall.
Auch hinsichtlich der allgemeinen Sektoren-Entwicklung hat sich das Blatt im ersten Halbjahr 2023 stark gewendet. Die drei Sektoren, welche sich letztes Jahr am schlechtesten entwickelt hatten, zeigten per 30.06.2023 eine eindrucksvolle Erholung. Die Bereiche Informationstechnologie (+42,8%), Kommunikationsdienstleistungen (+36,2%) und Nicht-Basiskonsumgüter (+33,1%) liegen mit großem Abstand an der Spitze, während die Top 3 des letzten Jahres (Versorger, Energie, Basis-Konsumgüter) eine Entwicklung von –5,7%, -5,5% bzw. +1,3% verzeichnen.
Mittlerweile ist die Erholung in den Top 3 Sektoren des ersten Halbjahres schon recht fortgeschritten und es kann eine gewisse Normalisierung der Bewertungen beobachtet werden.
S&P 500 Sektoren | 2022 | 2023 (Year-to-Date) |
---|---|---|
Informationstechnologie | -29% | +42,8% |
Kommunikationsdienstleistungen | -40% | +36,2% |
Nicht-Basiskonsumgüter | -38% | +33,1% |
Industrie | -7% | +10,2% |
Materialien | -14% | +7,7% |
Immobilien | -28% | +1,5% |
Basis-Konsumgüter | -3% | +1,3% |
Finanzsektor | -12% | -0,5% |
Gesundheitswesen | -4% | -1,5% |
Energie | 59% | -5,5% |
Versorger | -1% | -5,7% |
S&P 500 | -19% | +16,9% |
Dieser schnelle Umschwung zeigt abermals die Wichtigkeit eines langfristigen Anlagehorizontes und das Vermeiden von kurzfristigen, emotionalen Entscheidungen. Wir verzichten darauf, kurzfristige Kursveränderungen und Sektoren-Trends zu antizipieren. Unser Fokus liegt auf Unternehmen, deren hohe Qualität langfristiges Potential verspricht.
Ist die grundlegende Investmentthese weiterhin intakt, halten wir an einer Beteiligung fest. Auch wenn dies mitunter zu stärkeren Kursschwankungen führen kann, treffen wir niemals ausschließlich auf Basis fallender Kurse eine Verkaufsentscheidung.
Das Makro Umfeld - Inflation und Zinsausblick
Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die Inflation sowohl in den USA als auch in Europa erfolgreich unter Kontrolle gebracht wird. Die Preise in Bereichen wie Energie, Rohstoffe, Fracht oder Agrikultur & Lebensmittel sind seit den Höchstständen drastisch gesunken.
Konsumentenpreise spiegeln diese Preisentwicklungen nun immer stärker wider und es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzen wird. In den USA liegt die jährliche Inflationsrate nach dem Höchststand im Juni 2022 von 9,06% mittlerweile bei 3,00% (Stand Juni 2023).
Vor allem die jüngsten Entwicklungen sind sehr positiv zu bewerten und deuten auf weitere Verbesserungen hin. Die annualisierte Rate der letzten 3 Monate liegt mittlerweile bei nur noch 2,4% und viele Kategorien zeigen dabei ein rückläufiges Verhalten. Einzig der Bereich der Häuser- und Mietpreise stellt weiterhin einen inflationären Treiber dar, wobei auch hier über die nächsten Monate mit einem Rückgang zu rechnen ist. Sowohl Haus- als auch Mietpreise fallen im aktuellen Umfeld, werden aber aufgrund der Berechnungsmethode erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung in den Inflationszahlen berücksichtigt.
In der Euro-Zone können ebenso positive Entwicklungen beobachtet werden. Hier lag die Inflation (per vorläufigem Ergebnis für Juni 2023) bei 5,5% im Vergleich zu 6,1% im Vormonat. Zur Erinnerung – hier lag der Höchststand im Oktober 2022 bei 10,6%. In Europa steht aufgrund der extremeren Energiepreiseskalation ein längerer Weg in Richtung anvisierter 2% Inflationsrate an.
In einigen europäischen Ländern sind aber schon sehr positive Entwicklungen zu erkennen. In Spanien, Belgien, Griechenland oder Luxemburg – Länder, die letztes Jahr allesamt eine zweistellige Inflationsrate aufgewiesen hatten, liegt diese mittlerweile je nach Region zwischen 1% – 2,7%. Vor allem der Blick auf die Entwicklungen der spanischen Inflationsrate könnte auf einen vielversprechenden Ausblick deuten. Hier ist die jährliche Inflationsrate vom Höchststand im Juli 2022 von 10,6% auf nun unter 2% gefallen und die Tatsache, dass in der Vergangenheit eine hohe Korrelation zur EU-Zonen Inflation bestand und die Rate in Spanien kürzlich den Euro-Zonen Trends immer ein paar Monate voraus eilte, könnte ein sehr positives Vorzeichen für das bevorstehende Halbjahr darstellen.
Sowohl in den USA als auch in Europa konnten bisher sehr gute Fortschritte bei der Entwicklung der Inflation erzielt werden und die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt neben anderen deflationären Kräften ihre Wirkung.
Die Rhetorik der Zentralbanken ist zwar weiterhin streng und letzte kleine Erhöhungen sind nicht auszuschließen, wirklich nennenswerte Veränderungen werden in den kommenden 6-18 Monaten aus unserer Sicht jedoch eher Zinssenkungen, und keine Erhöhungen mehr sein. Die weltweit fallenden Einkaufs- und Produktionspreise sowie die bereits rückläufigen Inflationszahlen zeigen, dass der Großteil der Arbeit getan ist und es in erster Linie nur noch etwas Geduld braucht.
Die wirtschaftliche Entwicklung – Ein kontrastreiches Umfeld
Zum Ende des letzten Jahres hatte sich neben Europa und Asien auch die Wirtschaft in Teilbereichen der USA eingetrübt. Betroffen waren vor allem der Häusermarkt sowie verschiedene Industriesektoren. Der Häusermarkt hat sich mittlerweile von seinem Tief etwas erholt und zeigt eine gewisse Stabilisierung, während sich die Schwäche in der Industrie aufgrund der Nachwehen der Pandemie und dem daraus resultierenden Inventarabbau weiterhin fortsetzt. Positiv in dieser Hinsicht ist, dass viele Unternehmen während der letzten Berichtssaison von keiner absehbaren Verschlechterung berichtet hatten.
Abgesehen davon behaupten sich viele andere Bereiche der US-Wirtschaft weiterhin robuster als erwartet. Durch gesunde Haushaltsbilanzen und historisch gesehen geringen zu bedienenden Schulden im Vergleich zum verfügbaren Einkommen befindet sich der US-Konsument in einer guten Ausgangslage. Die Konsumausgaben haben sich zwar etwas verlangsamt, sind aber in der aktuellen Situation weiterhin als robust einzustufen. Seit geraumer Zeit wird dafür auf Erspartes zurückgegriffen, dass aus einer Kombination von niedrigeren Ausgaben und gewissen Förderungen während der Pandemie entstanden ist.
Die Sparrate des durchschnittlichen Amerikaners liegt zwar mittlerweile unter dem historischen Durchschnitt, zeigte kürzlich jedoch wieder einen positiveren Trend. Auch der Arbeitsmarkt behauptet sich weiterhin sehr stark. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf einem sehr niedrigen Level (3,7% im Vergleich zum 50-Jahres-Durchschnitt von 6,2%), es werden weiterhin neue Arbeitsplätze auf einem gesunden Niveau geschaffen und die Erstanträge für Arbeitslosigkeit zeigen kürzlich wieder einen rücklaufenden Trend.
Für gewissen Rückenwind sollte außerdem der derzeitige Investmentzyklus für den Bau von Produktionsstätten unter anderem für Bereiche wie Batterien, Solarzellen oder Halbleiter sorgen, deren Produktion durch diverse staatliche Unterstützungsprogramme immens gefördert wird. Diese Investments implizieren eine anhaltende Nachfrage nach Arbeitskräften und Materialien und sollten für eine Stabilisierung gewisser Branchen über die kommenden Jahre sorgen.
Der genaue Verlauf der Konjunktur ist weiterhin nicht absehbar. In unserem im Januar verfassten Jahreskommentar hatten wir davon berichtet, dass viele Ökonomen, Investoren, Unternehmer und Konsumenten mit einem Abschwung rechnen und Umfragen gezeigt haben, dass dies historisch gesehen eine der meisterwarteten Rezessionen darstellt.
Durch die Robustheit diverser Bereiche werden die Einschätzungen zu einer Rezession mittlerweile immer wieder zeitlich nach hinten verschoben. Für uns ist auf Basis der aktuellen Datenlage eine Art “rollende Rezession” ein plausibles Szenario, in dem es zu einer Abkühlung verschiedener Sektoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten kommt und eine tiefgreifende Rezession vermieden werden kann. Hauptverantwortlich dafür sind die weiterhin anhaltende Stärke der US-Konsumenten und des Arbeitsmarktes. Je länger eine Abkühlung in diesen Bereichen vermieden werden kann, desto weiter sollte die Erholung in anderen Bereichen schon fortgeschritten sein.
Würde es dennoch zu einer allgemeinen Eintrübung kommen und sich die Lage in vielen Bereichen gleichzeitig verschlechtern, wäre die US-Fed in der Lage, mit ihrer Geldpolitik dieser Schwäche entgegenzuwirken, wobei die gestiegene reale Ertragskraft durch den Rückgang der Inflationsrate einen zusätzlichen unterstützenden Faktor darstellen würde.
Allgemeiner Ausblick und Erwartungen
Nach der negativen Stimmung am Markt gegen Ende des letzten Jahres (aufgrund anhaltender Inflations-, Zins- und Rezessionssorgen) scheinen sich die Unsicherheiten etwas zu lichten. Das pessimistische Bild und die kurzfristige Sichtweise werden durch ein neutraleres Bild ersetzt, was sich auch in der Entwicklung der Aktienmärkte im ersten Halbjahr widerspiegelt.
Die globalen Aktienindizes haben von den Tiefpunkten im Oktober 2022 eine gewisse Erholung erfahren und sowohl der amerikanische S&P 500 (+16,9%), als auch der globale MSCI World (+13,99%) und der DAX (+15,98%) können ein gutes erstes Halbjahr verzeichnen.
Rein statistisch gesehen folgt auf ein starkes erstes Halbjahr (Wertentwicklung >10%) in der Regel ein positives zweites Halbjahr:
Seit 1950 gab es insgesamt 22 Jahre, in denen der S&P 500 im ersten Halbjahr eine Performance von über +10% erzielte. In 18 dieser 22 Jahre war die Entwicklung auch im zweiten Halbjahr positiv und lag durchschnittlich bei +7,7%.
Aus fundamentalen Gesichtspunkten ist es ebenso nicht unwahrscheinlich, dass sich der allgemeine Markt weiterhin positiv entwickelt.
Ausrichtung auf das aktuelle Marktumfeld und den langfristigen Anlageerfolg
Viel wichtiger als diese allgemeine Statistik ist jedoch die individuelle Betrachtung der einzelnen Titel in unserem Portfolio. Wir sehen unsere Unternehmen unabhängig von diversen makroökonomischen Einflussfaktoren als optimal für die Zukunft aufgestellt. Über die letzten Monate haben wir ein paar strategische Anpassungen getroffen, um uns für das aktuelle Umfeld, aber vor allem auch langfristig noch besser aufzustellen.
Mit der Reduzierung von einigen sehr langfristigen Investments und des geopolitischen Risikos sowie der Aufnahme von äußerst stabilen Geschäftsmodellen bzw. zyklischen, günstig bewerteten Unternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen konnten wir von einzigartigen Chancen am Markt Gebrauch machen.
Wir zielten darauf ab, dem Portfolio ohne großen Einfluss auf die langfristig zu erwartende Rendite mehr Stabilität zu verleihen. Durch die jüngsten Neuaufnahmen sehen wir diesen Prozess für überwiegend beendet an, halten aber natürlich kontinuierlich Ausschau nach neuen Möglichkeiten, die uns der Markt präsentiert.
Trotz der höheren Diversifizierung sehen wir auch zukünftig weiterhin hervorragende Chancen bei digitalen Geschäftsmodellen aus den Sektoren Informationstechnologie, Nicht-Basiskonsumgüter und Kommunikationsdienstleistungen. Führende Unternehmen in diesen Bereichen weisen überproportionales Wachstumspotential und starke Wettbewerbsvorteile auf, was zu einem langfristig attraktiven Umsatz- und Gewinnwachstum führen kann.
Ein Blick in die Vergangenheit ist in der Beziehung sehr aufschlussreich:
Digitale Geschäftsmodelle haben im Zeitraum von 2010 bis 2021 den Rest der Unternehmen im US-amerikanischen S&P 500 Index in Bezug auf Umsatzwachstum (+156% gegenüber +52%) aber vor allem Gewinnwachstum (+300% gegenüber +18%) deutlich übertroffen.
Neben diesen strukturellen Vorteilen sehen wir außerdem ein nachhaltiges Plus, da viele Unternehmen, die kurzfristig von diesem Ungleichgewicht zwischen Umsatz- und Kostenwachstum betroffen waren, zukünftig einen höheren Fokus auf die Profitabilität und Rentabilität legen möchten.
Auch wenn es, wie 2022 gesehen, zu kurzfristigen Abweichungen dieser Trends kam, sehen wir aufgrund der Stärke der Geschäftsmodelle und der Größe der adressierbaren Märkte gute Chancen, dass sich die langfristige Entwicklung der fundamentalen Daten und somit auch der Performance weiter fortsetzen wird.
Abschließende Worte
Auch wenn sich das Umfeld nochmals stärker eintrüben sollte, wird es für den langfristigen Anlageerfolg wichtig sein, stets Ruhe zu bewahren. Historisch gesehen waren die Perioden um eine Rezession nämlich kein komplett negatives Umfeld für Anleger.
Seit 1950 lag die durchschnittliche Rendite des S&P 500 6 Monate (-2%) bzw. 12 Monate (-3%) vor und dann auch während der Rezession (-1%) in einem verkraftbaren Bereich. Zudem deuten die 1-jährige (+16%) und 2-jährige (+20%) Rendite nach dem Ende einer Rezession, sowie die 1-jährigen (+40%) und 2-jährigen Indexentwicklungen (+50%) vom Markttiefpunkt um eine Rezession herum auf eine üblicherweise recht schnelle Erholung hin. Aufgrund dessen ist man am besten beraten, sich nicht von kurzfristigen Schwankungen und täglichen Hiobsbotschaften beeinflussen zu lassen und auf die Qualität im eigenen Portfolio zu vertrauen.
Unsere aktuelle Allokation stimmt uns dabei sehr positiv. Die Unternehmen sind aufgrund von hohen Wettbewerbsvorteilen und einer starken Ertragskraft optimal aufgestellt, um kommende Herausforderungen zu meistern und sogar (wie auch schon in der Vergangenheit) stärker aus einer potenziellen Krise zu kommen.
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